Kemal Üres: Der lauteste Flüsterer der Gastro

Kemal Üres ist trotz diverser Krisen als Gastronom erfolgreich. Außerdem folgen dem „Gastro­flüsterer“ heute eine Million Menschen auf Social Media. Was hat dieser Mann, was andere nicht haben?
April 25, 2024 | Text: Michi Reichelt | Fotos: Raphael Gabauer, La Paz

Nein, „subtil“ ist er nicht. Wenn Kemal Üres auf seinen Social-Media-Kanälen auftritt, wenn er vor seinen „lieben Gastro-Kollegen“ kleine und große Probleme der Branche anspricht.

Wenn er Politik, Bürokratie und wirtschaftliche Hürden kritisiert, dann redet er – überaus eindringlich – Klartext. Gibt Insider-Tipps, bittet um Kommentare, fragt nach den Erfahrungen anderer. Und die hören ihm zu, antworten ihm. Zu Tausenden.

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Eine Million Follower hat der „Gastro­flüsterer“ insgesamt auf diversen Social-­Media-Kanälen – 400.000 allein auf TikTok.

Nein, „subtil“ ist er nicht. Wenn Kemal Üres auf seinen Social-Media-Kanälen auftritt, wenn er vor seinen „lieben Gastro-Kollegen“ kleine und große Probleme der Branche anspricht.

Wenn er Politik, Bürokratie und wirtschaftliche Hürden kritisiert, dann redet er – überaus eindringlich – Klartext. Gibt Insider-Tipps, bittet um Kommentare, fragt nach den Erfahrungen anderer. Und die hören ihm zu, antworten ihm. Zu Tausenden.

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Eine Million Follower hat der „Gastro­flüsterer“ insgesamt auf diversen Social-­Media-Kanälen – 400.000 allein auf TikTok.

Denn Kemal Üres ist der „Gastroflüsterer“, der während der Corona-Pandemie eine Marktlücke entdeckt hat. „Es gab niemanden, der der Gastro Tipps gibt. Man kann dieses Wissen auch nicht googeln, es ist wenig da“, erzählt der 47-Jährige. „Ich habe angefangen, als meine Produktionsstätten zu waren – das erste Video wurde 20 Millionen Mal angeklickt.“

Mittlerweile ist der „Gastroflüsterer“ auf verschiedenen Plattformen präsent, hat insgesamt rund eine Million Follower. Bei einem Blick auf die Clips verwundert der Erfolg nicht. Nicht nur Üres’ Präsenz macht deren Reiz aus; das Ganze ist hochprofessionell aufgesetzt. So kümmern sich mittlerweile zehn Festangestellte um die perfekte Umsetzung der Beiträge auf Instagram & Co.

Einer von ihnen

Allerdings: Jede Professionalität wäre sinnlos, könnte sich der Protagonist nicht in die Gefühlslage der Angesprochenen hineinversetzen, wie Kemal Üres weiß: „Ich bin einer von ihnen. Ich weiß genau, wie sie sich mit ihren Problemen fühlen. Ich fühle sie, sie fühlen mich. Das ist kein theoretischer Bullshit.“ Social Media seien ein Schaufenster, über das man täglich Tausende Menschen erreichen könne, so Üres.

Stehe allerdings eine Person in diesem Schaufenster, „die nicht authentisch ist und von oben herab agiert, dann wird das negativ rüberkommen. Wie im echten Leben. Wenn du aber authentisch bist, Mehrwert bietest, wenn du Menschen motivierst, ihnen aber auch sagst, dass nicht alles rosarot ist, wenn du sie ernsthaft mitnimmst, dann ist Social Media die beste Plattform.“ Nach drei Jahrzehnten in der Branche habe er die Berechtigung, „Gastroflüsterer“ sein zu dürfen, zeigt sich der Wahl-Hamburger mit türkischen Wurzeln überzeugt. 

Er baute in dieser Zeit ein regelrechtes Imperium auf, das neben dem Restaurant La Paz in Hamburg insgesamt zehn GmbHs umfasst, darunter ein Catering-Unternehmen und eine Marketing Agentur. Zudem ist Kemal Üres als Coach in der von ihm gegründeten Gastro Business School als Speaker und Buchautor aktiv. Das Mindset, das ihn so weit gebracht hat, sei schon als Jugendlicher klar gewesen, sagt der in Stockach bei Konstanz aufgewachsene „Migrant“, wie der Sohn türkischer Eltern sich selbst bezeichnet.

„Ich wollte Erfolg haben, weil ich dachte, dann gehöre ich dazu. Als ich nach Hamburg ging, um dort Karriere zu machen, hatte ich im Kopf: Du bist Ausländer, du bist den anderen nicht gleichgestellt, du musst mehr machen.“ Im Park Hyatt International setzte er das um. „Ich kam als Erster, ging als Letzter. So wurde ich Abteilungsleiter für die Lounge und die Bar. Mit 19 war ich damit der jüngste Manager, den Hyatt weltweit hatte.“

Die Must-haves der Branche

Mit Anfang 20 schließlich kaufte Kemal das La Paz im Hamburger Stadtteil Eimsbüttel – und es begann ein Weg nach ganz oben in der deutschen Gastroszene, der bis heute anhält. Unter anderem, weil Kemal Üres stets ­Businesspläne und Marketingstrategien entwickelte, Zahlen auch über Emotionen stellt. Und auch die ­Zukunft durchaus nüchtern betrachtet.

In Digitalisierung und Künstlicher Intelligenz erkennt der „Gastroflüsterer“ durchaus einen Mehrwert für die Gastronomie – allerdings mit Einschränkungen. KI wäre beispielsweise bei Bild- und Textkreation für all jene interessant, die sich dafür keine Profis leisten können, so Üres.

Wobei es sich dabei doch um ein „nice to have“ handle. Ein Must-have hingegen seien digitale Tools für die KPIs des Unternehmens: „Für das Kassensystem, die Zeiterfassung des Personals, für Warenwirtschaft. Du musst deine Zahlen im Griff haben. Sonst schaffst du es nicht. Fast 90 Prozent der Gastronominnen und Gastronomen in Deutschland arbeiten nicht einmal mit der Deckungsbeitragskalkulation. Damit fängt’s schon an – und es geht dabei noch gar nicht um Digitales.“

Insbesondere in Zeiten des Fachkräftemangels ist Automatisierung in verschiedenen Bereichen der Gastronomie eine willkommene Unterstützung; ersetzt könnten Menschen ohnehin nicht werden, ist Kemal Üres überzeugt.

„Roboter, die abräumen oder Essen bringen, an der Spüle oder bei großen Gastrokonzepten tätig sind. Das ist sinnvoll. Aber überall sonst brauchen wir den Menschen. Man sagt ja nicht umsonst, Gastronomie ist ein People-Business. Im La Paz würde ich nie Roboter reinnehmen. Das lebt von der Atmosphäre, da passt ein Roboter einfach nicht. Leute gehen aus, weil sie sozial sein wollen, sonst könnten sie gleich zuhause Essen bestellen.“

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Generell sieht Kemal Üres die Zukunft verstärkt in der Systemgastronomie, auf kleine Gastronomiebetriebe kämen weiterhin schwere Zeiten zu. Gerade deshalb sei Weiterbildung neben Digitalisierung jedenfalls der Schlüssel zum Erfolg. „Diejenigen, die versuchen, ihr Handwerk immer besser zu verstehen, werden es schaffen. Die Gastronomie wird sich mit den Details beschäftigen, die sie wirtschaftlich machen.“

Und Kemal Üres wäre nicht der „Gastroflüsterer“, hätte er nicht auch beim wohl allgegenwärtigsten Thema Tipps parat: „Man muss seinen Fokus auf Nachhaltigkeit richten. Klimaneutrale Logistik, Produktion, Verpackungen. Für mich geht sie aber noch weiter. Wenn ich sehe, was in der Gastronomie alles im Müll landet, merke ich, wie viele keine Ahnung von einem nachhaltigen Betrieb ­
haben. Allein in Deutschland landen elf Millionen Tonnen Lebensmittel im Müll, zwei Millionen davon verursacht die Gastronomie. Da will ich sensibilisieren: Schau dir an, wo du Lebensmittel verlierst, die du nicht hättest ­verlieren müssen.“

Und der ganz persönliche Blick in die Zukunft?  „Ich mache heute nur noch Dinge, in denen ich wirklich gut bin und bei denen ich Spaß habe. Das war früher nicht so. Ich habe viele Jahre Gastro-Unternehmen aufgebaut, die mir nicht immer Spaß gemacht haben.

Aber ich musste es tun: Da ging es um mein Geld, meine Verantwortung, um meine Mitarbeitenden; das konnte ich mir nicht aussuchen. Heute kann ich es mir aussuchen. Das habe ich erreicht – auch, wenn ich von der Intensität oder der Stundenanzahl vielleicht sogar mehr arbeite als früher.“

Trotz seines „steinigen Wegs“ würde er alles wieder genauso machen, so Üres. „Aber bei all dem Adrenalin, das wir da jeden Tag haben, dürfen wir nicht vergessen: Das Leben ist so schnell vorbei, man darf es auf dem Weg nicht vergessen. Er selbst lebt Work-Life-Blending, also das Verschmelzen von Job und Privatem, versucht aber, sich während der Arbeitszeit rauszunehmen – mit Meditation, mit einer Auszeit auf der Couch. Und mit Sonntagen, an denen er für die Familie da ist. Tatsache ist: Langweilig wird Kemal Üres nicht. „Ich habe meine Unternehmen ans Management abgegeben. Ich mache nur noch den Gastroflüsterer und die Gastro Business School.

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Der Gastro­flüsterer ist erst bei etwa 30 Prozent. Wir haben vier Jahre Social Media gelernt, jetzt wird es schneller vorangehen. Aber immer mit dem Fokus, den Mehrwert für die Gastrokolleginnen und -kollegen nicht zu verlieren. Ich möchte eine Welt für sie schaffen, in der sie stolz und glücklich ihrer Berufung nachgehen. Und in der sie damit Geld verdienen.“ Nein, subtil ist Kemal Üres nicht – und wird es wohl nie werden.

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KEMAL ÜRES

Aufgewachsen im baden-württembergischen Stockach ging der Sohn türkischer Migranten (Jahrgang 1977)  nach seiner kaufmännischen Ausbildung nach Hamburg, wo er bereits mit Anfang 20 das Restaurant La Paz übernahm. In den folgenden Jahren gründete Kemal Üres Unternehmen wie DAILY-You-Catering, bevor er 2020 zum „Gastroflüsterer“ wurde. Zudem ist er als Buchautor, Speaker und Vortragender der Gastro Business School aktiv. Der Vater einer 21-jährigen Tochter wohnt mit seiner Lebensgefährtin in Hamburg.

instagram.com/kemalueres

lapaz-hamburg.de

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